POLITIK

„Eine Doppel-Wumms-Hypothek für die zukünftigen Generationen“

pn; 16.11.2022, 17:00 Uhr
Symbolfoto: Yourschantz auf Pixabay
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„Eine Doppel-Wumms-Hypothek für die zukünftigen Generationen“

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pn; 16.11.2022, 17:00 Uhr
Reichshof - Kämmerer Gerd Dresbach stellt dem Reichshofer Rat seinen Haushaltsentwurf vor – 2,47- Millionen-Loch wird durch Ausgleichsrücklage kompensiert - Bürgermeister Gennies kritisiert Kreisumlage.

Von Peter Notbohm

 

Für einen Rundumschlag nutzte Reichshofs Bürgermeister Rüdiger Gennies seine Rede zur Einbringung des Haushalts- und Finanzplanentwurfes für die Jahre 2023 bis 2026 am Dienstagabend im Reichshofer Gemeinderat. „Isolierungshilfen für Covid- und Kriegsfolgelasten sind nur eine vordergründige Hilfskrücke, die das Problem mangelnder Liquidität nicht lösen“, gibt es für das Gemeindeoberhaupt nur eine Lösung: „Es bedarf dringender finanzieller Hilfen in Cash von Bund und Land!“

 

Die Zahlen des 852 Seiten starken Werkes seien in „turbulenten und unsicheren Zeiten“ ernüchternd, sagte er in Richtung der politischen Vertreter. Trotz aktuell sprudelnder Steuern klafft - wie auch in den anderen oberbergischen Gemeinden - auch in Reichshofs Finanzplan eine erhebliche Lücke. 4,46 Millionen Euro beträgt das strukturelle Defizit für das kommende Jahr. Dass Kämmerer Gerd Dresbach „nur“ von einem Fehlbedarf von etwa 2,47 Millionen Euro sprach, liegt am Corona-Isolierungsgesetz, über das 1,99 Millionen Euro herausgerechnet werden können.

 

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Die Verschiebung dieser Lasten auf einen 50-jährigen Folgezeitraum bezeichnete Gennies allerdings als „grundlegend falsch“. Auch Dresbach äußerte sich ähnlich: „Wir schieben die Lasten in die Zukunft. Eine Doppel-Wumms-Hypothek für die zukünftigen Generationen.“ Mit jährlich rund 190.000 Euro werden die insgesamt eingeplanten Isolierungen von 9,4 Millionen Euro die Haushalte der nächsten 50 Jahre belasten, rechnete er vor. Die Hilfspakete der Bundesregierung nannte er umstritten, zudem fehle ihnen der soziale Ausgleich.

 

[Vor der Vorstellung des Haushaltsentwurfes wurde Dagmar Becker für 15 Jahre Ratszugehörigkeit von Bürgermeister Rüdiger Gennies geehrt. „Ihre Arbeit zeigt, was engagierte Bürger für ihre Gemeinde erwirken können“, sagte er im Rahmen seiner Laudatio.]

 

Um nicht sofort in ein Haushaltssicherungskonzept zurückzufallen, werden die fehlenden zweieinhalb Millionen Euro aus der 4,4 Millionen starken Ausgleichsrücklage kompensiert. Spätestens 2026 werde das aber nicht mehr möglich sein. „Der Eigenkapitalverzehr wird ein Maß erreicht haben, das den Grenzwert deutlich überschreitet“, so der Kämmerer. In diesem Jahr bleiben die Hebesätze von Grundsteuer (A: 445% / B: 570 %) und Gewerbesteuer (475 %) unangetastet, um die Bürger nicht noch mehr zu belasten. Um eine Steuererhöhung werde die Gemeinde spätestens 2025 aber nicht mehr herumkommen, prognostiziert Dresbach, „denn die Preissteigerungsrealität kann nicht ignoriert werden“. Erhöht wird im kommenden Jahr die Abwassergebühr um acht Cent.

 

Eingeplanten Erträgen von 48,9 Millionen Euro stehen in dem Zahlenwerk für 2023 erwartete Ausgaben in Höhe von 51,4 Millionen Euro gegenüber. Bedeutendster Posten ist einmal mehr die von allen Bürgermeistern viel kritisierte Kreisumlage, die für Reichshof um 1,8 Millionen Euro auf ein Allzeithoch von 23 Millionen Euro steigt. Gennies forderte in diesem Zusammenhang, dass den Kreisen endlich eigene Steuerquellen mit Hebesatzrecht erschlossen werden müssen: „Die Kreistagsmitglieder müssen gezwungen werden, sich unmittelbar mit den Belastungen der Steuerzahler vor Ort auseinanderzusetzen.“

 

Ein Dorn im Auge ist ihm unter anderem der Zuschussbedarf für OVAG und ÖPNV innerhalb der Kreisumlage. Die Umstellung auf eine Wasserstoff-Flotte sei zwar richtig, die Umsetzung des Nahverkehrsplans 2017 führe aber zu einem deutlichen Leistungsgefälle im öffentlichen Personenverkehr. Hier müsse das Solidarprinzip verlassen und über eine differenzierte Kreisumlage nachgedacht werden. Dass dies möglich sei, würden die beiden Nachbarkreise Rhein-Sieg und Rhein-Berg zeigen.

 

Die Gelder würde Gennies lieber in Maßnahmen des gemeindlichen Straßennetzes stecken. Hier bestehe ein großer Investitionsstau, der ohne Landesfördermittel nicht zu stemmen sei – aktuell sind hierfür 800.000 Euro veranschlagt. Nur für die beiden Anbauten an die Grundschulen Denklingen und Hunsheim und die Fortführung des InHK Phase II wird mit jeweils 1,2 Millionen Euro mehr ausgegeben.

 

Verabschiedet werden soll der Haushalt in der Ratssitzung am 13. Dezember.

 

Eckdaten des Haushalts

 

Erträge (In Klammern: Vergleich zum Vorjahr)

 

Insgesamt: 48.939.912 Euro

 

Darin unter anderem enthalten:

 

Gewerbesteuer: 18.000.000 Euro (+2.250.000 Euro)

Grundsteuern: 3.840.000 Euro (+75.000 Euro)

Anteile an den Bundessteuern: 13.180.000 Euro (+1.052.000 Euro)

Schlüsselzuweisungen: 0 Euro (=)

 

Aufwendungen

 

Insgesamt: 51.409.736 Euro

 

Darin unter anderem enthalten:

 

Kreisumlage: 22.984.000 Euro (+ 1.738.000 Euro)

Personalaufwand: 7.266.019 Euro (+442.172 Euro)

Investitionsauszahlungen: 5.966.130 Euro (+327.526 Euro)

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