POLITIK
Das Gezerre geht weiter
Bergneustadt - Der Stadtrat nahm das Endlos-Thema Moscheebau von der Tagesordnung und will jetzt mit einer Mediation einen neuen Anlauf nehmen, um allen Interessen gerecht zu werden.
Von Bernd Vorländer
Fast hätte man es vermuten können. Die Endlos-Geschichte um das Für und Wider eines Moschee-Baus in Bergneustadt geht in eine weitere politische Runde. Diesmal schrieben CDU und Bündnisgrüne am nächsten Kopfschüttel-Kapitel. Noch vor zehn Tagen hatten beide Fraktionen gemeinsam mit der UWG die Backen aufgeblasen und einen gemeinsamen Antrag angekündigt, wonach man auf der Ratssitzung mit einem Antrag zur Bebauungsplanänderung für den Standort des Hagebaumarkts Fakten schaffen wolle. Die Fläche solle in ein Gewerbegebiet umgewandelt und eine Bebauung mit religiösen Gebäuden ausgeschlossen werden. Damit wären jegliche Kaufabsichten des Bergneustädter Moscheevereins blockiert worden.
Doch das Dreierbündnis schmolz wie Eis in der Sonne, nachdem sich zunächst noch leiser Protest regte und sich dann Gewerbetreibende aus der Wiesen- und Brückenstraße zu Wochenbeginn vehement dagegen wehrten, dass die dort bestehende Moschee vergrößert werden könnte.
Ganz offensichtlich hatte man politisch kalte Füße bekommen. Für CDU-Fraktionschef Reinhard Schulte (Foto) stellte sich die Lage anders dar. Nach einem Gespräch mit dem Verkäufer des Hagebaugeländes am Vorabend habe es Informationen gegeben, die bislang nicht bekannt gewesen seien. Deshalb nehme man den Antrag von der Tagesordnung und stelle ihn zunächst zurück.
Schulte schlug ein Mediationsverfahren vor, um Lösungen zu finden, damit dem Moscheeverein wie auch der Ansiedlung von Gewerbe Genüge getan werden könne. Das wieder rief Wolfgang Lenz (FDP) auf den Plan. "Die CDU stellt sich als weißer Ritter dar. Was sie heute hier liefern ist unbegreiflich", schimpfte der Liberale.
Haushalt
Der Bergneustädter Rat hat mit den Stimmen aller Fraktionen den Haushalt 2021 verabschiedet, der ein Volumen von rund 53 Millionen Euro umfasst. Als Stärkungspakt-Kommune erreicht die Stadt in diesem Jahr den Etat-Ausgleich - aber auch nur, weil Corona-bedingte Mehrkosten und Einnahmeausfälle isoliert werden. Weil die Pandemiefolgen auch im kommenden Jahr zu spüren sein werden, wird man 2022 mit einem Defizit umgehen müssen. Erst in den Folgejahren rechnet man wieder mit Haushaltsüberschüssen. Es bleibt jedoch eine enorme Verschuldung von über 80 Millionen Euro sowie eine exorbitant hohe Grundsteuer B von 959 Prozent.
Kämmerer Bernd Knabe sprach vor dem Rat von einer "sehr, sehr bedrohlichen Haushaltssituation". Bürgermeister Matthias Thul machte deutlich, dass die Stadt in den kommenden Jahren alles unternehmen werde, um die Einnahmesituation zu stärken. Dazu gelte es, die Gewerbesteuereinnahmen zu steigern. Man benötige neu zu entwickelnde Flächen, auf denen sich Firmen ansiedeln könnten. Doch auch die Anteile an der Einkommenssteuer will der Rathauschef steigern. Das geht aber nur, wenn Bergneustadt für neue Mitbürger interessant wird. Während der Speckgürtel um Köln herum immer größer werde, fehlten in Bergneustadt entsprechende Immobilien. "Wohnraum zu finden ist der Schlüssel, um die Einkommenssteuer zu steigern", so Thul.
Krawinkel-Wiese
Vehement plädierte die SPD in einem Antrag dafür, die Krawinkel-Wiese im Herzen der Stadt nicht zu veräußern, sondern im städtischen Besitz zu behalten. "Wir nehmen uns alle Entwicklungsmöglichkeiten, wenn wir ein so einmaliges Grundstück einfach so aus der Hand geben", erklärte SPD-Fraktionschef Daniel Grütz. Investoren wollen dort bekanntlich Geschäfts- und Wohneinheiten errichten. Von der FDP gab es Unterstützung. "Wenn wir diese Fläche verkaufen, tun wir uns keinen Gefallen", so FDP-Mann Wolfgang Lenz. Anderer Auffassung waren die Bündnisgrünen. Ein Hochbau sei durchaus flächenschonend, argumentierte Fraktionschef Axel Krieger. Auch weite Teile von CDU und UWG sprachen sich für einen Verkauf aus. In geheimer Ablehnung stimmte die Ratsmehrheit gegen den SPD-Antrag, die Krawinkel-Wiese nicht zu verkaufen.
Verabschiedung
Der langjährige Fraktionsvorsitzende der SPD, Stefan Retzerau (Foto, li.), wurde zu Beginn der Ratssitzung verabschiedet. Retzerau war 26 Jahre bis Oktober 2020 im Stadt-Parlament aktiv und hatte zahlreiche politische Ämter inne. Bürgermeister Matthias Thul würdigte die Dienste des Sozialdemokraten für die Stadt und hob die Verlässlichkeit des SPD-Politikers hervor.
Jens-Holger Pütz (UWG) machte aus seiner Ablehnung des Bauvorhabens des Moscheevereins auf dem Hagebaumarkt-Gelände keinen Hehl. "Wir wollen keine Groß-Moschee." Viel werde in den kommenden Wochen vom Verhalten des Moscheevereins abhängen. Die Vergangenheit habe gezeigt, dass alle diejenigen, die eine kritische Meinung zu einem Neubau hätten, bedroht und diffamiert würden. Dennoch werde man sich nicht den Mund verbieten lassen.
SPD-Fraktionsvorsitzender Daniel Grütz mahnte, zeitnah zu einer sachorientierten Diskussion zurückzukehren. Man werde nur Erfolg haben, wenn man zu einer parteiübergreifenden Lösung komme. Bürgermeister Matthias Thul (Foto) machte schließlich seinem Ärger über den Verlauf der Debatte über einen Moschee-Bau in den vergangenen Wochen Luft. Es sei zu persönlichen Verletzungen gekommen, die nicht hinzunehmen seien. Polarisierungen seien an der Tagesordnung. Menschen äußerten sich nicht mehr, aus Angst, in die rechte Ecke gestellt zu werden. "Diffamierungen haben aber in der Diskussion nichts zu suchen", sagte Thul und fügte hinzu: "Wenn der Rat eine Entscheidung fällt, dann hat das mit Rassismus nichts zu tun." Der Rathauschef forderte alle Beteiligten auf, endlich wieder zur Sachlichkeit zurückzufinden. Das Thema dürfte jedoch die politischen Auseinandersetzungen in der Stadt auch im Jahr 2021 mitbestimmen.
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