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"Eigentliches Kapital einer Firma sind die Mitarbeiter" - Kanzlerbesuch bei ISE
(vg/24.7.2002-19:20) Von Vera Giese
Bergneustadt - Bundeskanzler Gerhard Schröder besuchte heute auf Einladung von MdB Friedhelm Julius Beucher das Oberbergische und besichtigte die Firma Innomotive Systems Europe (ISE) in der Neustadt.

"Warum nicht zu Steinmüller?" stand in großen Buchstaben auf dem Transparent eines Demonstranten, der sich vor dem ISE-Gelände postiert hatte. Nicht jeder war über den Besuch des Bundeskanzlers erfreut. Die Handvoll Demonstranten von der "attac Gruppe Oberberg" wollten mit ihrer Aktion darauf aufmerksam machen, dass ihrer Meinung nach sowohl Schröders als auch Stoibers Wirtschaftspolitik lediglich für die großen Unternehmen, nicht aber für die kleinen Betriebe gemacht sei. Die Protestler bedachten dabei jedoch nicht, dass der Bundeskanzler nicht durch das Haupttor fahren, sondern per Hubschrauber ankommen sollte. Zu ihrem Glück landete der Helikopter aber doch neben dem Werksgelände und die letzten Meter legte Schröder so doch mit der Staatskarosse zurück.

Für die ISE-Belegschaft hingegen war der Kanzlerbesuch ein Ereignis sondergleichen. Knapp drei Viertel der Belegschaft hatte sich in der neuen Produktionshalle versammelt, um den Worten des Bundeskanzlers zu lauschen. Dieser erschien pünktlich um 14:30 Uhr und wurde durch den Kaufmännischen Geschäftsführer Gerd Rosendahl begrüßt und darum gebeten, sich ins Gästebuch der Firma einzutragen. Rosendahl bedankte sich in der anschließenden Ansprache für den Besuch Schröders und das Bemühen Beuchers, auf dessen Anregung der Bundeskanzler nach Oberberg gekommen war. Rosendahl stellte kurz die Firma und die Entwicklung dieser in den vergangenen fünf Jahren dar.
Schröder lobte in seiner Rede besonders das beherzte Handeln der fünf Geschäftsführer Gerhard Reuber, Gerd Rosendahl, Horst Jürgen Hollmann, Ferdinand Jeck und Peter Jeck vor fünf Jahren, als das Unternehmen kurz vor dem Aus stand. Die Fünf hatten es damalas erworben und selber weitergeführt. Er habe vor einer solchen Unternehmenskultur Respekt, die die Belange der Firma und der Mitarbeiter vor die eigenen stelle. "Das eigentliche Kapital eines jeden Unternehmens liegt in den Köpfen und in den Fähigkeiten der einzelnen Mitarbeiter", betonte Schröder. Ziel jedes Unternehmens sollte es sein, die einzelen Beschäftigten dazu zu motivieren, das für ihn mögliche für den Betrieb zu leisten. Ansonsten sei Erfolg nicht möglich.

Besonders intensiv ging Schröder auf das Thema Ausbildung und Ausbildundsförderung ein. Im Jahr 2000 und 2001 sei das Angebot an Ausbildungsstellen im West genau so hoch gewesen wie die Nachfrage. Im laufenden Jahr fehlen laut dem Kanzler im West sechs Prozent, im Osten acht Prozent an Ausbildungsstellen. Unternehmen sollten dieses Thema mehr in den Mittelpunkt ihrer Firmenpolitik stellen, forderte er. "Denn wenn man sich nicht um die Ausbildung neuer Fachkräfte kümmert, sägt man sich selber den Ast ab, auf dem man morgen sitzen möchte."

Gerhard Reuber übergab Schröder im Anschluss seiner Rede einen Miniatur-Oldtimer aus Messing, der von ISE hergestellt wurde, als Geschenk. Bevor der Bundeskanzler sich auf den Weg zum Betriebsrundgang machte, stellte Reuber noch kurz das ISE-Mobil 5 , das aus einer Auswahl von Produktionsteilen des Standortes Bergneustadt aus den letzten Jahrzehnten zusammengebaut worden ist, vor. Zum Schlittenbob der deutschen Nationalmannschaft, der ebenfalls ausgestellt wurde, sagte Reuber, dass bereits ein neues Modell entwickelt und gebaut werde, mit dem die Mannschaft bei den Olympischen Spielen 2006 antreten könne.
Nachdem der Bundeskanzler sich ein Bild vom Unternehmen während eines Betriebsrundganges machen konnte, traf er sich mit den Geschäftsleitern der Firma und den Bankvertretern, um mit ihnen in einem internen Gespräch die derzeitige Lage und die Zukunft des Betriebes zu sondieren.

Im Anschluss an dieses Gespräch stellte sich Schröder im Betriebsrestaurant den Fragen der Presse. Als das Thema Babcock zur Sprache kam, sagte Schröder, dass Wolfgang Clement als Ministerpräsident des Landes NRW und die Bundesregierung das Möglichste für das Unternehmen täten. Die Bundesregierung könne aber am besten dadurch helfen, dass sie in Oberhausen helfe. Und auf den Vorwurf der Opposition, dass man dafür keine Steuergelder ausgeben solle, habe er lediglich entgegnet, dass es besser sei zu diesem Zeitpunkt Geld zu investieren, als die spätere Arbeitslosigkeit der Mitarbeiter zu finanzieren.

IG Metall-Bevollmächtigter Norbert Kemper fragte Schröder, ob er den Termin des Insolvenzverwalters von Babcock in Berlin bestätigen könne. Der Kanzler dankte Kemper scherzend, "dass Du meinen persönlichen Referenten gespielt hast". Von dem Termin wisse er noch nichts und könne ihn daher nicht bestätigten, aber er versprach fest, den Insolvenzverwalter nicht nur zu empfangen, sondern von sich aus einzuladen.

Für seinen oberbergischen Genossen Beucher war Schröder voll des Lobes. Dieser zeichne ich durch zwei Eigenschaften besonders aus: "Durch sein sportpolitisches Engagement hat er auch bundesweit Beachtung gefunden" und außerdem sei er trotz der Tätigkeit in Berlin sehr bodenständig mit seinem eigenen Wahlkreis verbunden. "Ich bin sicher, er wird den Wahlkreis wieder direkt gewinnen", erklärte er die schlechte Platzierung Beuchers auf der Landesliste.

Bevor der Bundeskanzler wieder in den Hubschrauber stieg, um weiter nach Essen zu fliegen, bekam er noch ein Trikot des VfL Gummersbach durch den Manager Carsten Sauer und die beiden Spieler-Stars Kyung-Shin Yoon und Francois-Xavier Houlet überreicht - zur großen Überraschung aller mit einem Aufdruck eines neuen Trikot-Sponsors, nämlich ISE!











