KAFFEEKLATSCH
Vom Selbstspielklavier zum Welterbe
Marienheide – Dr. Ulrich Wimmer präsentiert der Öffentlichkeit in Kempershöhe seine beachtliche Sammlung von rund 250 mechanischen Musikinstrumenten.
Von Leif Schmittgen
Wie kommt eigentlich ein studierter Theologe, Philosoph und Musikwissenschaftler dazu, in einer ehemaligen Kirche ein Museum für mechanische Instrumente und insbesondere Drehorgeln einzurichten? Dr. Ulrich Wimmer, der Betreiber der Einrichtung in Marienheide-Kempershöhe holt ein wenig aus, um die Fragenflut in geordnete Bahnen zu lenken und geht dafür fast 50 Jahre in die Vergangenheit: 1971 besuchte er ein Konzert in der Bonner Beethoven-Halle, das seine Begeisterung weckte und bis zum heutigen Tag nicht mehr los ließ. Zum Einsatz kam damals ein sogenanntes Selbstspielklavier, das die Werke des 1916 verstorbenen Max Reger mithilfe von Walzen wiedergab. „So ein Instrument muss ich unbedingt haben“, dachte sich Wimmer damals und war von der komplexen Mechanik begeistert.
[Dr. Ulrich Wimmer ist stolz auf seine Sammung historischer Instrumente.]
Über einen Bekannten organisierte er ein defektes Gerät und ließ es prompt von ihm instand setzen. Relativ unscheinbar steht das Klavier, eingeengt von Stühlen, in der Ecke des ehemaligen Kirchenschiffs. „Da müssen wir erst mal rankommen“, sagt Wimmer, der es sich nicht nehmen lässt, eine Klangprobe des historischen Instruments vorzuführen. Der Standort ist nicht etwa mangelnder Wertschätzung zum Klavier geschuldet, vielmehr der Besucherandrang, lässt Wimmer keine andere Präsentationsmöglichkeit. Nicht nur die in den Jahren massiv gestiegene Zahl an Ausstellungsstücken sorgt für Enge, auch die Gästeschar wuchs nach der Eröffnung 2008 stetig. „Mich besuchen inzwischen Menschen aus der ganzen Welt“, berichtet der 72-Jährige stolz. Ob Amerikaner, Chinesen oder Russen: Vertreter aus unterschiedlichsten Kulturkreisen bestaunen inzwischen regelmäßig die Ausstellung.
Und das kommt vermutlich durch einen ganz besonderen Stempel, den das Museum Ende 2017 aufgedrückt bekommen hat. „Seit zwei Jahren gehören wir zum Welterbe der UNSECO“, sagt Wimmer. Deswegen – und wegen der Zugehörigkeit zum Verband Rheinischer Museen und weiterer Institutionen – ist das Drehorgelmuseum in aller überregionaler Munde. Hinzu kommen die einmal monatlich stattfindenden Konzerte, mit stets anderem Themenschwerpunkt. Dort wird nicht nur der Musik gelauscht, Wimmer trägt auch Lyrik und geschichtlich Wissenswertes über seinen riesigen Instrumentenfundus vor.
[Der Vogel auf der Spieluhr sieht nicht nur hübsch aus, er "zwitschert" auch: Dank ausgeklügelter Mechanik.]
Wie seine Sammlung derart expandieren konnte, weiß er selbst nicht genau. „Die Instrumente kommen einfach zu mir“, sagt er mit einem Schmunzeln. De facto gibt es in ganz Europa Auktionen, wo die Liebhaberstücke zu teils horrenden Preisen ersteigert werden. Doch dabei hat der Sammler sich selbst Grenzen auferlegt: Ohne konkrete Summen zu nennen, berichtet er von einer Spieluhr, die ihm ein Mitbieter vor der Nase wegschnappte. Ein Insidertipp – man kennt sich in der Szene – brachte ihn dazu, nach Frankreich zu reisen und ein bauähnliches Stück zu einem Zehntel - des nur wenige Wochen zuvor erzielten Auktionspreises - einzuheimsen.
[Im Drehorgelmuseum gibt es viele Größen von mechanischen Musikinstrumenten zu bestaunen.]
Aber nicht nur mechanische Instrumente, wie die genannten Spieluhren oder Drehorgeln, die teils über 300 Jahre auf dem Buckel haben, zieren die Museumsräume. Zwischen den Unikaten blitzen unter anderem ein Grammophon und ein nostalgisches Radio hervor. „Die Geräte brauche ich, um meinen Gästen zu erklären, wie es nach der Hochzeit der mechanischen Instrumente weiterging“, sagt Wimmer. In der angrenzenden Bibliothek steht zudem eine Wurlitzer-Jukebox, eine der ersten ihrer Art, aus den 30er Jahren. Das jüngste Auktionsstück, eine voll funktionsfähige Biedermeier-Flötenuhr, ist seit grade einmal zwei Wochen im Ausstallungsraum beheimatet. Die Sammeldurst Wimmers ist bis heute nicht gestillt, nur der Platzmangel lässt ihn inzwischen seltener zugreifen.
Bleibt noch die letzte Eingangsfrage zu klären, warum der ehemalige Pfarrer und Hochschullehrer ausgerechnet in eine ehemalige Kirche zieht? „Das war reiner Zufall“, berichtet der Pensionär. Nach dem Eintritt in den Ruhestand, war er auf der Suche nach einer Bleibe. Dass es ausgerechnet die erste in Oberberg entwidmete Kirche werden würde, betrachtet der Sammler aber als Fügung des Schicksaals: „Der Liebe Gott hat es so gewollt“, ist sich Wimmer sicher.
Zur Person
Dr. Ulrich Wimmer wurde am 22. Februar 1947 in Zittau (Oberlausitz) geboren. Er floh 1961 kurz vor dem Mauerbau nach Westdeutschland und ließ sich mit seiner Familie zunächst in Köln nieder. Berufliche Stationen Wimmers waren unter anderem Waldbröl und die Landeshauptstadt Düsseldorf, ehe es ihn 2006 zum heutigen Standort nach Marienheide-Kempershöhe zog, wo er gemeinsam mit Ehefrau Doris van Rhee seit elf Jahren das Bergische Drehorgelmuseum betreibt.
Weitere Informationen unter leierkastenheiterkeit.com
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