LOKALMIX
„Es geht an die Substanz“
Oberberg – Zwischen Pendelquarantäne, Personalmangel und Impfmarathon – Oberberg-Aktuell sprach mit Mitarbeitern in Alten- und Pflegeheimen.
„Das ist eine furchtbar anstrengende und belastende Zeit – auch psychisch“, meint Georg Huber. Er leitet das Evangelische Altenheim in der Bergneustädter Altstadt und ist darüber hinaus als Geschäftsführer für die Evangelische Altenheim Bergneustadt gGmbH eingesetzt. Extrem belastet sei das Pflegepersonal, das die engsten Kontakte mit den hochbetagten Bewohnern hat und dabei besonders auf Schutz und Hygiene achte. Allerdings mangelt es an ausreichend Mitarbeitern. Sobald Corona-Verdachtsfälle bestehen, laufe das ganze Prozedere an – inklusive der Anordnungen zur Quarantäne sowie dem Ausfall von Personal. „Das kann man mal ein viertel oder halbes Jahr machen, aber mittlerweile geht es wirklich an die Substanz“, stellt Huber klar.
[Im Bergneustädter Altenheim waren Besuche zu keinem Zeitpunkt untersagt. Vorherige Anmeldungen sind immer noch vonnöten.]
Dem stimmt auch Helena Keller zu, die vor einem Jahr im Evangelischen Seniorenzentrum Gummersbach den Posten der Pflegedienstleitung übernommen hat. Ende 2020 haben sich dort über 35 Bewohner und Mitarbeiter mit SARS-CoV-2 infiziert. Neun Bewohner sind an Covid-19 verstorben. „Das war eine sehr schwere Zeit. Wir haben acht Wochen in Pendelquarantäne gearbeitet, durften nicht mal spazieren gehen, hatten im Dienst kaum Zeit für die Zufuhr von Nahrung und Flüssigkeit und wussten oftmals nicht mehr, wer am nächsten Tag noch arbeiten kann“, meint Keller. Einige Kollegen hätten sich trotz voller Schutzmontur infiziert. „Doch es ist uns gelungen, das Infektionsgeschehen auf eine Ebene zu begrenzen“, erinnert sich die Altenpflegerin.
Auch das Bergneustädter Altenheim sowie das zugehörige Dietrich-Bonhoeffer-Haus für dementiell erkrankte Personen sind von Corona-Fällen betroffen gewesen. Nach einem Einzug und einem Krankenhausaufenthalt fielen die jeweils ersten Tests negativ aus, die zweiten Testungen lieferten ein positives Ergebnis. „Da kann man niemandem einen Vorwurf machen“, meint Huber. Im Dietrich-Bonhoeffer-Haus infizierten sich zehn Bewohner und zehn Mitarbeiter mit SARS-CoV-2, zwei Personen verstarben. Doch selbst bei einer Infektion dürfe das Personal keine freiheitsentziehenden Maßnahmen ergreifen. So würden die Mitarbeiter versuchen, die an Demenz erkrankten Bewohner zu isolieren. „Aber wenn ein Demenzerkrankter beweglich ist, dann läuft er rum. Das erschwert unsere Arbeit“, schildert der Heimleiter.
Den Bewohnern habe vor allem der erste Lockdown zu schaffen gemacht. „Als vor einem Jahr in einer Pressekonferenz verkündet worden ist, dass die Alten- und Pflegeeinrichtungen nicht mehr besucht werden dürfen, konnte sich keiner vorstellen, wie lange das letztendlich dauern würde“, so Miranda Wirth von der Einrichtungsleitung des DRK-Seniorenzentrums am Sonnenweg in Wipperfürth. „Die Bewohner haben ihre Angehörigen vermisst. Einige waren sehr aufgeregt, andere haben psychisch abgebaut, waren mutlos und appetitlos“, schildert Keller. Doch nach wie vor fehle den Bewohnern laut Huber das Gefühl eines gewöhnlichen Alltags – eines normalen Lebens: „Besonders deprimierend ist, dass sich bei Demenzerkrankten der Abbauprozess verstärkt.“
[Zahlreiche Bewohner und Angehörige verabredeten sich vor allem im ersten Lockdown an Balkonen und Fenstern.]
Trotz der gestiegenen Arbeitsbelastung sei es den Mitarbeitern ein besonderes Anliegen gewesen, den Kontakt zu den Bewohnern zu intensivieren und die Beschäftigungsmöglichkeiten zu vertiefen. „Ganz selbstverständlich sind die Bewohner mit ihren Angehörigen über Videoanrufe und versendete Videos in Kontakt geblieben. So konnten sie am Leben des anderen teilhaben“, freut sich Wirth rückblickend. Auch weitere neue Angebote wie Freiluftgottesdienste seien von den Wipperfürther Senioren gut angenommen worden und sollen auch künftig beibehalten werden. Als herzzerreißend beschreibt Wirth das erste Wiedersehen nach Wochen ohne persönlichen Kontakt: „Das hat viele zu Tränen gerührt. Den Menschen war es wichtig zu sehen, dass es einander gut geht.“
Durch die Impfungen hoffen die Mitarbeiter in Alten- und Pflegeheimen nun auf Entlastung. Doch der Pflege mangelt es nach wie vor an Personal. Der Bedarf wird in der Pandemie noch offensichtlicher. „Zwei unserer Mitarbeiter haben den Druck im vergangenen Jahr nicht mehr ausgehalten und gekündigt. Auch neu eingestellte Kollegen fühlten sich so überfordert, dass sie nur ein bis zwei Monate bei uns geblieben sind“, veranschaulicht Keller.
Natürlich hofft auch die Pflegedienstleiterin auf eine bessere Bezahlung und eine vermehrte Wertschätzung des Pflegeberufes: „Aber bei diesem stressigen Berufsalltag brauchen wir vor allem fachlich gutes Personal.“ Umso dankbarer sind die drei Gesprächspartner für die Leistungen, die ihre Teams tagtäglich erbringen. Huber findet deutliche Worte: „Trotz des Stresses pflegen die Mitarbeiter einen tollen Umgang untereinander sowie zu den Bewohnern. Wenn es diese Menschen nicht gäbe, dann wären wir zusammengebrochen.“
ARTIKEL TEILEN