Waldbröl – Ein 18- und ein 19-Jähriger wegen gemeinschaftlicher gefährlicher Körperverletzung verurteilt – 27-Jährigen nach einem Streit zusammengeschlagen.
Von Lars Weber
Was für drei junge Männer als feucht-fröhlicher Abend Ende März 2021 im Nümbrechter Kurpark begann, endete für einen von ihnen mit Frakturen im Gesicht und einer Bindehaut-Einblutung im Krankenhaus – und für die anderen beiden heute am Amtsgericht Waldbröl. Dort waren die Nümbrechter Peter F. und Jan H. (Anm.d.Red.: Namen geändert) vor dem Jugendschöffengericht unter dem Vorsitz von Richter Dr. Fabian Krapoth wegen gemeinschaftlicher gefährlicher Körperverletzung und unerlaubtem Waffenbesitz angeklagt. Längst nicht alle Fragen konnten im Prozessverlauf geklärt werden. Fest standen am Ende aber trotzdem Schuldsprüche – und die Hoffnung aller Beteiligten, dass man sich so schnell nicht mehr wieder begegnet.
Die Geschehnisse an jenem Abend vor rund einem Jahr waren den Angeklagten und dem Geschädigten dabei durchaus unterschiedlich in Erinnerung. Wo sich alle einig waren: Es wurde erst einmal sehr viel getrunken – laut Jan H. waren Sixpacks Bier und eine Flasche Wodka mit im Spiel. Außerdem, so stellte sich heraus, konsumierten mindestens Peter F. und das spätere Opfer Karim R. auch Kokain. Und genau wegen dieser Droge soll es auch zum Streit gekommen sein, dessen Verlauf aber ungenau blieb.
Peter F. sagte aus, dass ihm während des Abends auffiel, dass ihm etwas Kokain aus seinem Portemonnaie fehle.
Als er Karim R. damit konfrontierte, sei dieser abgezogen, und habe ihn einfach ignoriert. Der 27-Jährige sei zu seiner Asylunterkunft zurück, die anderen folgten ihm. Der Konflikt steigerte sich, es sei laut geworden, was auch später eine Zeugin bestätigte. Die drei seien laut den Angeklagten dann in Karim R.s Zimmer gegangen, um keine Nachbarn zu stören. Dort habe dieser die Angeklagten erst eingeschlossen, und habe dann ein Messer dabeigehabt. Peter F. und Jan H. verließen die Unterkunft. Der 27-Jährige sei ihnen gefolgt. „Ich hatte Angst, gleich ein Messer im Rücken zu haben“, so Jan H.. Peter F. gab zu, in diesem Moment zugeschlagen zu haben. Das folgende Gerangel sei von drei Schüssen aufgelöst worden, die Jan H. mit einer Schreckschusspistole in die Luft abgegeben hatte.
Das hörte sich bei Karim R. etwas anders an. Ein Messer sei nie gezogen wurden, gab er über eine Dolmetscherin Auskunft. Der Streit sei aber tatsächlich über die Frage, ob er Kokain gestohlen habe, eskaliert. „Hatte ich aber nicht.“ Nachdem sich die Auseinandersetzung rund um seine Unterkunft hochgeschaukelt hatte, habe Peter F. unvermittelt zugeschlagen. Er sei zu Boden gebracht worden, wurde dort festgehalten und beide hätten zugeschlagen und getreten, vor allem auf den Kopf. Dann sei ein Schuss gefallen. Die Polizei fand ihn später in der Toilette der Asylunterkunft, wo er sich vor Angst verbarrikadiert hatte. Später kam er ins Krankenhaus.
Löcher und einige fragwürdige Zusammenhänge hatten beide Versionen der Geschichte. Beide Angeklagten zeigten dabei aber Reue und Scham ob ihres „Kontrollverlusts“, auch mit Karim R. habe man sich ausgesprochen, was dieser bestätigte. Gerade Peter F. räumte ein, Probleme mit Aggressionen zu haben, wenn er Alkohol konsumiert hat. Genau hier setzte auch das Gericht an, da beide Angeklagten aus stabilen Verhältnissen kommen – beide befinden sich jeweils in einer Ausbildung und haben sich bislang auch nicht viel zuschulden kommen lassen – wollten weder Richter Dr. Krapoth, noch seine Schöffen oder die Staatsanwaltschaft den beiden jungen Männern ihre weitere Zukunft verbauen und wandten das Jugendstrafrecht an.
So hielt die Staatsanwaltschaft zum einen fest, dass nur Jan H. wegen des unerlaubten Waffenbesitzes zur Verantwortung gezogen werden sollte, da sein Kumpel von der Waffe keine Kenntnis gehabt haben wollte. Außerdem beantragte sie ein ausgiebiges Antiaggressionstraining und Termine bei der Drogenberatung sowie zusätzlich eine Geldbuße über jeweils 500 Euro. Der Rechtsanwalt von Jan H. schloss sich diesem Vorschlag an. Der Verteidiger Peter F.s forderte angesichts der Ausbildungsgehälter eine geringere Geldbuße und wollte nur eine einfache Körperverletzung erkennen, keine gemeinschaftliche gefährliche. Dies sah das Schöffengericht anders. Es folgte den Forderungen der Staatsanwaltschaft, verringerte aber noch die Geldbuße auf jeweils 400 Euro, die innerhalb von acht Monaten an die Jugendgerichtshilfe fließen soll.
Richter Dr. Krapoth las den beiden zum Schluss noch einmal deutlich die Leviten. Die Situation, in die sie geraten seien, sei „alles andere als normal“ gewesen. Zusätzlich zu der vom Gericht verhängten Strafe sei es daher auch ihre Aufgabe, an sich zu arbeiten und Wiedergutmachung in ihrem Umfeld zu betreiben. Dabei hatte der Richter vor allem die Eltern von Jan H. im Blick, die der Verhandlung beiwohnten. Der Wunsch der beiden jungen Männer am Ende war jedenfalls klar: „Wir hoffen, dass wir uns nicht wiedersehen“, sagten sie zum Richter.
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