BLAULICHT
Als sich die Mietschulden häuften, soll Vermieter ein Messer gezückt haben
Waldbröl – Ein Verfahren gegen einen 47-jährigen Wiehler wird eingestellt – Mutmaßliches Opfer nicht zu erreichen - Der zentrale Tatvorwurf der versuchten gefährlichen Körperverletzung konnte nicht nachgewiesen werden.
Von Lars Weber
Zunächst einmal hat das Gericht Gesprächsbedarf, und zwar ohne Öffentlichkeit. Nach mehr als 20 Minuten geht der Prozess am Waldbröler Amtsgericht gegen den 47-jährigen Wiehler Deen B. (Anm.d.Red.: Alle Namen geändert) dann aber schließlich los. Das Problem, über das sich Einzelrichterin Christina Knauer mit Staatsanwaltschaft und Rechtsanwalt Sebastian Tillmann austauschte: Das mutmaßliche Opfer eines Messerangriffs, Tom O., ist nicht zur Verhandlung zu gekommen. Der Mann habe keinen festen Wohnsitz, die Polizei hat ihn nicht gefunden, und auch seine Familie – sein Sohn und seine Ex-Frau – konnten dem Gericht nicht weiterhelfen. Und so muss das Verfahren ohne die einzige Person starten, die – außer dem Angeklagten – etwas zum Tatvorwurf der versuchten gefährlichen Körperverletzung hätte sagen können. Dass ausgerechnet Mietschulden im Zentrum des Streits gestanden haben sollen, passt dafür ins Bild.
Neben versuchter gefährlicher Körperverletzung stehen Beleidigung, Bedrohung und Nötigung auf der Liste der Vorwürfe der Staatsanwaltschaft. Am 11. Mai 2023 soll die Auseinandersetzung zwischen Deen B. und Tom O. zum ersten Mal handgreiflich geworden sein, als der 47-Jährige in seinem kleinen Restaurant in der Gemeinde Reichshof Tom O. mit der flachen Hand ins Gesicht geschlagen haben soll. Etwa einen Monat später soll er erst in einer Sprachnachricht gedroht haben, ihm „die Füße abzuschneiden“, dann in einem Telefonat mit einer Zeugin noch weiter gegangen sein und gesagt haben, dass er Tom O. abstechen wolle. Eskaliert sein soll die Situation am 2. Juli 2023 am Restaurant. Dort soll Deen B. zunächst die damalige Freundin von Tom O. beleidigt und anschließend im Streit mit diesem ein Filetiermesser gezückt und nach dem mutmaßlichen Opfer gestochen haben. Getroffen wurde Tom O. nicht, er soll die Versuche geblockt haben.
Deen B. lässt sich über seinen Verteidiger Sebastian Tillmann ein, spricht aber auch selbst. Die Drohung in der Sprachnachricht räumt er ein – er wollte Tom O. etwas Angst machen. Richterin Knauer hakt bei der Formulierung aber doch einmal nach. Die „Füße abschneiden“, das sei dann doch auffallend. In Syrien, wo er auch geboren ist, sei diese Formulierung geläufiger. Damit gedroht, Tom O. abzustechen habe er allerdings nicht – was später auch die Zeugin bestätigt, die sich an das Gespräch noch gut erinnern konnte. Auch dort soll er stattdessen gedroht haben, die „Füße abzuschneiden“.
Die Hintergründe der Auseinandersetzung beleuchtete Tillmann. Die damalige Freundin von Tom O. sei Mieterin von Deen B. gewesen und habe in einer Wohnung im Haus des Restaurants gewohnt. In ihre dortige Wohnung sei dann auch ohne Absprache Tom O. eingezogen und zusätzlich ein Hund. Abgesehen davon, dass das Tier ständig gebellt habe und Tom O. viel Laufkundschaft am Haus gehabt haben soll – für Drogengeschäfte fehlt es aber an Beweisen – habe Deen B. irgendwann keine Miete mehr gezahlt bekommen. Als der Angeklagte Tom O. zur Rede gestellt habe, habe er ihn leicht geschubst. Geschlagen habe er ihn aber nicht. Und mit dem Messer bedroht oder versucht zuzustechen habe er ebenfalls nicht.
An diesem Tag im Juli hätten sich alle gegenseitig beleidigt, auch dort sei es zu einem Schubser gekommen, mehr sei nicht passiert, so der Angeklagte. Tom O.‘s damalige Freundin ist als Zeugin zwar gekommen, konnte aber nicht viel Licht ins Dunkel bringen. Auch wenn sie aussagte, dass Deen B. ein Messer geholt habe, hatte sie nicht gesehen, was in der Auseinandersetzung mit Tom O. passiert ist. Sie stand um die Ecke.
Da der zentrale Vorwurf nicht bewiesen werden konnte, schlägt Richterin Knauer die Einstellung des Verfahrens gegen eine Geldauflage über 1.000 Euro an das Kinderhospiz Balthasar vor. Staatsanwaltschaft und Verteidiger Tillmann nicken den Vorschlag ab. Deen B. hat bislang keine Vorstrafen und sei nicht auffällig geworden. Auch wenn die Richterin Verständnis zeigt, dass man sich über ausbleibende Mietzahlungen ärgert, dürfe der 47-Jährige trotzdem nicht mit solchen Drohungen um sich werfen.
Der Streit um die Miete wurde bereits Ende 2023 gerichtlich geklärt und endete mit einem Räumungsverfahren gegen Tom O. und seine damalige Freundin. Nach dem Urteil wurde die Wohnung nach sieben Monaten wieder frei. Gezahlt hätten sie die Miete auch in dieser Zeit nicht, so Verteidiger Tillmann. Weitere Verfahren strebt Deen B. deshalb aber nicht mehr an.
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