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Videospiele: Ein Überblick über das Erfolgsrezept für Einsteiger
Videospiele haben sich seit den 1970er Jahren von einer ausgesprochenen Nische und einem primären Kinder- und Jugendthema zu einem der wichtigsten Faktoren entwickelt – nicht nur für die allgemeine Spieleindustrie, sondern ebenso die Digitalisierung. Mehr noch: Gaming ist längst ein Phänomen, das die meisten gesellschaftlichen Schichten und Altersgruppen erfasst. Grund genug, euch mal einen umfassenden Überblick über die Geschichte und die Wirkmacht der Videospielewelt zu präsentieren.
Der Wow-Effekt: Was Videogames so faszinierend macht
Jede Branche möchte wachsen – also ihre Umsätze Jahr für Jahr steigern. Doch während das in vielen Sparten nicht immer mit letzter Perfektion gelingt und manche Jahre sogar von Verlusten gekennzeichnet sind, springt die Gaming-Branche schon seit vielen Jahren nahezu ungebremst von Umsatzrekord zu Umsatzrekord.
Um euch das anhand einiger Zahlen zu demonstrieren: 2022, als die Pandemie aufgrund von Lockdowns und Social Distancing sowieso Videospiele aufblühen ließ, brachte es die Branche auf einen globalen Umsatz von satten 201 Milliarden Euro. Für 2024 prognostizieren Fachleute sogar knapp 262 Milliarden Euro. Die Zahlen klingen euch zu abstrakt? Dann werft einen Blick auf einige Vergleichswerte:
- 2019, also dem letzten „unverzerrten“ Jahr vor Pandemiebeginn, machte die weltweite Kinobranche einen Umsatz von 40,3 Milliarden Euro, respektive 45,2 Milliarden US-Dollar – das meiste davon nicht etwa mit Ticketpreisen, sondern dem Verkauf von Getränken, Popcorn und dergleichen. 2022 belief sich der Wert sogar coronabedingt auf 36,1 Milliarden Euro respektive 38 Milliarden Dollar.
- 2024 werden hierzulande aller Voraussicht nach 58,6 Milliarden Euro Umsatz mit Elektrofahrzeugen gemacht.
- 2022 erwirtschaftete die deutsche Lebensmittelindustrie rund 218,5 Milliarden Euro.
- 2024 wird Video-Streaming weltweit Umsätze von etwa 614,6 Milliarden Euro respektive 674 Milliarden Dollar einfahren.
Vielleicht ist eine weitere Zahl noch aufschlussreicher – wenn man den globalen Markt für Videospiele mit dem für Brett- bzw. Gesellschaftsspiele vergleicht. Letzterer soll es bis Ende 2024 auf einen Jahresumsatz von knapp 14,4 Milliarden Dollar respektive 13,1 Milliarden Euro bringen. Das ist exakt ein Zwanzigstel des Videospielemarkts.
[Bild: stock.adobe.com © aapsky --- Insbesondere bei Simulationen ist der heutige Realismusgrad so extrem, dass selbst Games – keine eigens entwickelten Programme – fürs Simulatortraining genutzt werden. So verwenden etwa einige Luftstreitkräfte ganz offiziell DCS World.]
Im Klartext: Gaming ist für die ganze Welt ein unglaublich bedeutender Wirtschaftsfaktor geworden, der verschiedene andere, wichtige, Wirtschafszweige zum Teil deutlich in den Schatten stellt.
Stellt sich die Frage: Woran liegt das? Wie kann etwas, das letzten Endes für die meisten Menschen bloß eine Form von Unterhaltung darstellt, ein derartiger wirtschaftlicher Gigant werden? Ein Gigant, der nicht nur längst politische Macht besitzt (Stichworte Steuern und Arbeitsplätze), sondern auch einen enormen Einfluss auf andere Branchen ausübt? Dazu ein Gigant, der in Form des Spiele-Streamings sogar eine eigene zusätzliche Unterhaltungsform kreiert hat, die weitere enorme wirtschaftliche Zugkraft entwickelt. Dahinter stecken letztlich einige klare Gründe:
- Kontrollierbarkeit:
Manche Games mögen zwar linearer aufgebaut sein als andere. Immer hat jedoch der Spieler eine recht große Kontrolle über das Spielgeschehen. Das macht Videogames nicht nur hochbeliebt, sondern verleiht ihnen im Bereich der digitalen Medien sogar ein weitgehendes Alleinstellungsmerkmal. Filme, Serien und ähnliche vergleichbare Unterhaltungsspielarten bieten, wenn überhaupt, nur erheblich geringere Eingriffsmöglichkeiten. Ein hervorragendes Beispiel für dieses Erfolgsrezept ist die enorme Beliebtheit von Open-World-Spielen wie etwa die GTA-Reihe.
- Körperliche Zugänglichkeit:
Insbesondere, wenn ihr die große Kontrollierbarkeit miteinbezieht, ist Gaming ein eher anspruchsloser Zeitvertreib. Denn bei den meisten Spielen genügen Hände, Finger, Augen und Ohren. Weder sind große körperliche Fähigkeiten nötig noch enormes Geschick – solange man es nicht auf wettbewerbsmäßiges Gaming abgesehen hat und eSports betreibt.
- Thematische Vielfalt:
Von der Auto-Rennsimulation bis zum Zoo-Management-Spiel existieren nicht nur sprichwörtlich hunderte verschiedene Themen, zu denen sich Videospiele gestaltet werden können. Das gilt selbst dann, wenn sich alle davon in die etwas eingeschränkte Liste der verschiedenen Gaming-Genres einsortieren lassen. Zudem können Spieleentwickler Bestehendes auf vielfältigste Art und Weise umwandeln und neuinterpretieren: Spiele, die auf Filmen oder Büchern basieren, gibt es bereits seit den Anfängen.
Ebenso sind Games ideal, um gänzlich analoge Tätigkeiten in einen digitalen Rahmen zu bringen. Denkt etwa an Glücksspiel. Eine der ältesten Spielearten überhaupt feiert als Videogames seit einigen Jahren die wohl größten Erfolge seit ihren frühesten Tagen und hat mit iGaming längst einen feststehenden Begriff bekommen. Sie begeistert Millionen von Menschen mit Sportwetten, Poker, Bingo und vielen weiteren Spielen, auf die sie immer und überall zugreifen können, anstatt dafür Casinos oder Wettbüros aufsuchen zu müssen.
Das heißt letzten Endes: Ähnlich wie etwa bei Filmen ist in Sachen Thematik bei Videospielen für fast jeden etwas dabei. Das spricht wiederum eine breite Zahl von Menschen unterschiedlichster Backgrounds an – ist also besonders mitverantwortlich für den weltumspannenden Erfolg.
- Technische Zugänglichkeit:
Die Zeiten, in denen Games nur etwas für Menschen waren, die sich gut mit digitaler Technik auskannten, sind schon längst vorbei. Videospiele sind auch auf technischer Ebene sehr niedrigschwellig geworden und – besonders wichtig – haben die einstigen qualitativen Unterschiede zwischen den Plattformen abgelegt. Bedeutet, ungeachtet des Endgeräts kann heute jeder ähnlich aufwendige, fesselnde, tiefgehende Games genießen.
- Immersion:
Selbst, wenn ihr euch nicht explizit auf Virtual-Reality-Spiele (nebst entsprechender Hardware) fokussiert, bieten viele moderne Games durch ihre grafische Gestaltung und das Spielprinzip ein sehr tiefes Eintauchen in das jeweilige Setting. Das fesselt buchstäblich. Bei linearen Spielen immerhin für einige Stunden, bei diversen Online- oder Open-World-Games teilweise sogar für ungezählte Jahre. Schaut euch dazu beispielsweise an, wie alt einige der am meisten auf Twitch gestreamten Spiele sind. Dazu gehören unter anderem Counter-Strike (2000), GTA V (2013), Minecraft (2011), League of Legends (2009) oder World of Warcraft (2004).
- Persönliche Zugänglichkeit:
Kaum ein Karten- oder Brettspiel funktioniert ohne mindestens einen zweiten Spieler. Das hat sich zwar durch Chat-Programme und Ähnliches mittlerweile etwas entschärft, aber die Grundproblematik bleibt bestehen. Anders Videospiele. Selbst diejenigen, die primär als Multiplayer-Vergnügen konzipiert wurden, bieten meistens zumindest einen rudimentären Einzelspielermodus. Manche Games lassen sich sogar über Jahre hinweg allein spielen, weil Story und Spielmechanik so gut sind – und zuletzt die NPCs durch KI immer besser wurden. Ebenso sind seit einigen Jahren die meisten Games standardmäßig mit irgendeiner Form von Multiplayer-Modus bestückt. Bedeutet für euch: Egal, ob allein oder mit mehreren, euch stehen wiederum viele Optionen offen.
- Tiefe und Genauigkeit:
Eine Flugsimulation, in der sich jede einzelne Maschine nicht nur so „anfühlt“, sondern sich auch haargenau so verhält wie das reale Vorbild. Ein MMORPG, dessen Hintergrundstory es in Sachen Umfang und Detailverliebtheit problemlos mit großen Film-Epen oder literarischen Werken aufnehmen kann. Bei diesem Punkt zeigt sich besonders, wie „erwachsen“ Games mittlerweile geworden sind. Die dahinterstehenden Studios betreiben einen enormen Aufwand, um Realismus, Thementiefe, Charaktere und ähnliche Punkte aufs Feinste zu gestalten und zu justieren. Unter anderem sind deshalb Videogame-Writer und ähnliche Berufe inzwischen sehr gut bezahlt und entsprechende Fachkräfte gesucht.
- Lernkurven:
Selbst den besten Film oder das spannendste Buch kennt man irgendwann auswendig, was mit der Zeit langweilig wird. Dagegen haben die meisten Games eine gleichzeitig flache und enorm lange Lernkurve. Heißt, sogar als völliger Anfänger könnt ihr bereits eine Menge Spaß haben. Gleichsam wird das Spiel jedoch durch seine Gestaltung selbst dann nicht langweilig, wenn ihr schon unzählige Stunden eures Lebens damit verbracht habt. Eine echte Meisterleistung, die so nur bei einigen wenigen Karten- und Brettspielen einen Gegenpart findet – wobei diesen Spielen wiederum andere Dinge fehlen, mit denen Videogames aufwarten können.
Natürlich gibt es Ausnahmen. Allen voran moderne Flugsimulationen, die aufgrund des hohen Realismus-Grades bereits dutzende Stunden des Lernens benötigen, um eine Maschine auf Anfängerniveau zu fliegen – etwa das für seine realistische Gestaltung gefeierte DCS World.
[Bild: stock.adobe.com © rh2010 --- Virtual Reality benötigte im Gaming-Bereich seit den frühen 1990ern mehrere Anläufe, bevor sich nachhaltiger Erfolg einstellte. Mittlerweile ist sie jedoch fest etabliert – ob VR aber jemals das klassische Bildschirm-Spielen ablöst, ist offen.]
Das bedeutet, Videospiele greifen gleich mehrere sehr wichtige Positionen bzw. Erfolgsfaktoren klassischer Spiele und Sportarten einerseits sowie von Filmen, Serien und Literatur andererseits auf und vermischen sie miteinander. Dadurch entsteht etwas, das den Statistiken zufolge mittlerweile 3,22 Milliarden Menschen rund um den Globus begeistert – das entspricht knapp 40 Prozent der gesamten Erdbevölkerung! Ein wahrhaft gigantischer Erfolg.
Kein Kinderkram (mehr): Der lange Weg der Videospiele in die Mitte der Gesellschaft
Dieser riesige Erfolg ist das Ergebnis einer Geschichte, die von zwei Faktoren bestimmt wird:
- Technische Entwicklung: Gaming hätte niemals den heutigen Status, wenn sich digitale Technik nicht so enorm weiterentwickelt hätte – nicht zuletzt preislich. Oft genug waren Games gleichzeitig Nutznießer und Antreiber von bzw. für technische Entwicklungen.
- Gesellschaftliche Entwicklung: Damit Videospiele eine solche Rolle einnehmen konnten, mussten die dafür nötigen digitalen Techniken in die Gesellschaft eindringen. Insbesondere das Smartphone spielte hierbei eine vielfach nicht genügend gewürdigte Rolle. Wohl gab es zuvor schon weitverbreitete und hocherfolgreiche Games für Computer und Konsolen. Doch indem das Smartphone binnen weniger Jahre in so viele Bevölkerungsschichten eindrang, sorgte es für einen enormen Schub beim Gaming – einfach, weil plötzlich praktisch jeder eine sehr leistungsfähige „Konsole“ in der Hosentasche trug.
Streng genommen müssen wir euch hier sogar noch einen dritten Faktor präsentieren, nämlich die Zeit. Denn betrachtet man sich die digitale Welt in ihrer Gesamtheit, dauerte es recht lange, bis Videospiele ihre heutige Position erreichten – eine, die mächtig genug ist, um die Olympischen eSports-Spiele zu gründen.
Viele andere Dinge wie etwa Mobiltelefone, Streaming, Heimcomputer und Ähnliches brauchten weniger Jahre, um zu Welterfolgen zu werden. Hauptsächlich lag das an einer Sache: Gaming hatte über lange Zeit mit einem ziemlichen Stigma zu kämpfen. Einem, durch das es weder von traditionellen Spiele-Fans noch Anhängern von Film und Literatur ernstgenommen wurde. Um euch zu erläutern, warum Computerspiele noch bis in dieses Jahrtausend hinein vielen als „Kinderkram“ galten, ist es nötig, einen Blick auf die Geschichte von Games und Gaming zu werfen.
Ignorieren wir kommerziell faktisch irrelevante Versuche in Hochschulen und Forschungseinrichtungen, dann begann die „Gaming-Ära“ in den frühen 1970ern. Es entstanden nicht nur die ersten (aus heutiger Sicht sehr simplen) Spiele wie etwa Computer Space oder Pong, sondern auch die ersten Konsolen, die explizit für den Endverbraucher konzipiert waren – hier vor allem die Magnavox Odyssey, veröffentlicht 1972.
In den darauffolgenden Jahren geschahen enorme Entwicklungsschübe. Sie machten speziell die 1980er heute in der Retrospektive zu dem Jahrzehnt der Arcade-Games, in dem Gaming zu einem massiven jugendkulturellen Phänomen wurde und in dem unzählige wichtige Grundlagen gelegt wurden. Leider auch die Grundlage für das erwähnte Stigma: Bis weit in die 1990er hinein mussten Videospiele zwangsläufig wenig aufwendig sein. Mehr gab die verfügbare Technik schlichtweg nicht her. Das führte zu einer wahrhaft vertrackten Situation:
- Durch die simple Gestaltung und technischen Limitierungen richteten sich damalige Computerspiele eher an Kinder und Jugendliche, vertrauten auf eine Menge Phantasie und Hintergrund-Stories. Das reichte jedoch nicht, um Erwachsene zu begeistern.
- Leistungsfähigere Digitaltechnik, die bessere Spiele ermöglicht hätte, war extrem teuer – selbst nach heutigen Maßstäben. In heutiger Währung kostete beispielsweise ein Gigabyte Speicher im Jahr 1981 satte 350.000 Dollar. Das schränkte die Möglichkeiten extrem ein. Für bessere Spiele hätte es nur einen winzigen Markt gegeben.
[Bild: stock.adobe.com © Soeren --- Für den Endverbraucher erschwingliche Digitaltechnik bot noch bis in die 1990er hinein nicht genug Leistung, um auch Erwachsene für Games zu begeistern. Das geschah erst, als die Preise deutlich sanken.]
Natürlich gab es ebenso, wie es bis heute Erwachsene gibt, die beispielsweise mit Lego spielen, in den ersten 20 bis 25 Jahren der Videospiele-Geschichte durchaus erwachsene Gamer. Viele davon hatten ohnehin ein Interesse an Computern und anderer Digitaltechnik. In der breitgesellschaftlichen Wahrnehmung blieb Gaming jedoch lange Zeit auf den Charakter von Spielzeug reduziert. Hier brauchte es verschiedene, miteinander verzahnte Mechanismen, um einen Wandel anzustoßen, der Gaming zum alterslosen Vergnügen von heute machte:
- Digitaltechnik im Allgemeinen verbreitete sich durch diverse Endverbraucherprodukte immer mehr. Dazu zählen beispielsweise CDs ebenso wie Armbanduhren, Autoradios und Ähnliches. Vor allem die zweite Hälfte der 1980er und die erste Hälfte der 1990er waren hierbei wegweisend.
- Ab Anfang der 1990er kamen die ersten Filme auf, die maßgeblich auf digitale Effekte setzten – etwa der Blockbuster Terminator 2. Sie zeigten Cineasten überdeutlich auf, zu was Computertechnik mittlerweile im Stande war. Gleichsam lancierten immer mehr Game-Studios zu solchen Erfolgsfilmen passende Spiele, nachdem dieser Trend bereits in den 1980ern begonnen hatte.
- Besonders im Verlauf der 1990er kamen immer mehr Menschen am Arbeitsplatz mit Computern in Kontakt.
- Aufgrund der fortschreitenden Digitalisierung sanken die Preise für digitale Hardware ganz erheblich. Das ermöglichte es, leistungsfähigere Endgeräte zu designen – und dazu passende Videospiele.
- Nachdem es bereits vorher Computer-Betriebssysteme mit grafischer Benutzeroberfläche gegeben hatte, lancierte Microsoft 1995 Windows 95 und trat damit einen enormen Hype los. Dieser brachte PCs urplötzlich in sehr viele Haushalte, indem er ihre Benutzung viel einfacher machte, als es das manuelle Eintippen von DOS-Befehlen zuvor gestattete.
- Ebenfalls 1995 wurde die erste PlayStation zum Welterfolg. Im Gegensatz zu praktisch allen anderen bisherigen Konsolen stammte sie zum einen nicht von einer primären Gaming-Schmiede, sondern vom Elektronikgiganten Sony und setzte zum anderen auf CDs, nicht die zeitgenössischen Cartridges. Mit 33 MHz, 2 MB RAM und 1 MB Grafik-RAM war sie vor allem in den ersten Jahren dicht an der Leistung zeitgenössischer PCs.
Das alles traf auf eine Welt, die nicht zuletzt seit 1989 durch die enorme Verbreitung der ersten Game-Boy-Generationen „gut vorbereitet“ worden war. Der Erfolg ließ nicht lange auf sich warten: Videospiele legten im weiteren Verlauf der 1990er das Image von grobpixeligen Grafiken und piepsigen 8-Bit-Sounds ab und wurden allmählich zu einer erwachseneren oder zumindest „erwachsenentauglicheren“ Unterhaltungsform.
In den darauffolgenden Jahren ging die Entwicklung immer weiter und fokussierten sich immer mehr Spiele-Schmieden (auch) auf eine erwachsenere Klientel. Ebenso wirkte einmal mehr der angesprochene Zeitfaktor: Gaming wurde nicht zuletzt deshalb erwachsen und legte sein Kinderspielzeug-Image ab, weil diejenigen, die seit den ersten Jahren des Erfolgs dabei waren, ebenso dem Kindes- und Jugendalter entwuchsen.
Gleichsam gelang es durch die technische Weiterentwicklung, immer komplexere, aufwendigere, erwachsenere Spiele zu erschaffen. Im Gegensatz zu so manchen anderen eher kindlich-jugendlichen Interessen, legten viele Jung-Erwachsene deshalb etwa um den Jahrtausendwechsel herum ihren einstigen Zeitvertreib nicht ab, sondern machten einfach weiter.
[Bild: stock.adobe.com © Friends Stock Die mediale Bedeutung und Sponsorengelder im Bereich eSports sind ein überdeutlicher Hinweis darauf, wie sehr Gaming den Kinderschuhen entwachsen ist.]
Zu all dem begannen nunmehr Außenstehende, das gesamte Thema etwas seriöser zu beleuchten. Keine Frage, schrille Töne wie die berüchtigte „Killerspiel-Debatte“ wurden auch nach dem Jahrtausendwechsel angeschlagen und geführt. Damals sogar mit besonderer Schärfe, weil Games so realistisch geworden waren. Doch ebenso beschäftigten sich die ersten Wissenschaftler ganz nüchtern mit den positiven Effekten von Videospielen, gelangte das Thema in die seriöse Pädagogik und erkannte man, dass Gaming keine große „Verblödungsmaschine“ ist, wie es zuvor so oft prominent behauptet wurde.
Der Rest ist buchstäblich Geschichte. Die Gesellschaft wurde auch außerhalb der Gamer-Szene immer digitaler. Aus simplen Games war ein seriöses, vielfältiges und äußerst unterhaltsames Medium geworden, das den Vergleich zu den klassischeren Spielarten der Unterhaltung definitiv nicht mehr scheuen musste.
Was die künftige Spielewelt noch bringt, ist offen. Kritik gibt es noch immer, etwa rund um Lootboxen. Allerdings ist Gaming in seiner Gesamtheit mittlerweile fest in der berühmten Mitte der Gesellschaft etabliert und daran wird sich aller Voraussicht nach so lange nichts ändern, wie die Digitalisierung in der gesellschaftlichen Mitte verankert bleibt.
Es war definitiv ein langer Weg mit vielen Rückschlägen, die zudem bis heute nicht abebben. Das ist jedoch kein besonderes Merkmal der Videospiele mehr, sondern zeigt vielmehr, wie normal und etabliert sie mittlerweile geworden sind – egal, ob beim Lernspiel für einen Jungen in der Kita oder bei einem besonders anspruchsvollen Aufbauspiel für eine verrentete Stadtplanerin.
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